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Interview mit Ex-Cyclocross-Weltmeister Niels Albert

Wir haben die CX Legende und den aktuellen Teammanager des Veranda’s Willems-Crelan-Charles Pro Cycling Teams um Wout van Aert in Zondhoven getroffen.

Wer kennt ihn nicht? Niels Albert ist ein ehemaliger Cyclocross-Profi mit dem Status einer Legende. Er wurde zuerst Weltmeister in der U23, um sich danach zwei Mal das Regenbogentrikot der Eliteklasse überzustreifen. Das war in den Jahren 2009 und 2012. Dabei hat er gegen die großen Namen wie Sven Nys, Zdenek Stybar oder Kevin Pauwels triumphiert. Letzterer ist auch heute noch im Cyclocross aktiv.

Obwohl Niels erst 31 Jahre alt ist, war er 2014 gezwungen seine Profi-Karriere auf Grund von schwerwiegenden Herzproblemen frühzeitig zu beenden. Seine Liebe zum Cyclocross ist allerdings geblieben. Vielleicht brennt in ihm das Feuer sogar mehr denn je. Niels arbeitet mittlerweile als Teammanager des aktuellen Weltmeisters Wout van Aert und des Veranda’s Willems-Crelan-Charles Pro Cycling Teams. Zudem betreibt Niels auch noch einen Radladen.

Wir hatten die Gelegenheit, mit Niels am Rande des Superprestige-Rennens in Zonhoven zu sprechen.

Von links nach rechts: Marcel (bc), Niels Albert (Teammanager: Veranda’s Willems-Crelan- Charles Pro Cycling Team). Im Hintergrund: Weltmeister Wout van Aert

Von links nach rechts: Marcel (bc), Niels Albert (Teammanager: Veranda’s Willems-Crelan-Charles Pro Cycling Team). Im Hintergrund: Weltmeister Wout van Aert © Balint Hamvas, Cycle Photos

Marcel: Niels, wie geht es Dir? Ist es nicht hart am Streckenrand zu stehen und den anderen beim „Spielen im Matsch“ zuzuschauen? Wie hältst Du das aus?

Niels: Das stimmt! Es ist nicht immer einfach, wenn ich zu den Rennen komme und ich sehe, wie die anderen Jungs im Schlamm ihre Runden drehen.

Manchmal ist es schon schwer, wenn ich bei gutem Wetter die vielen Zuschauer sehe. Dann würde ich am liebsten wieder eine Nummer an mein Trikot heften und den Jungs zeigen, wo der Hammer hängt. Aber es ist nun mal, wie es ist. Vor drei Jahren musste ich den aktiven Sport aufgeben und mit der Zeit habe ich gelernt, dass es auch andere schöne Dinge im Leben gibt. Ich genieße es mittlerweile sehr, Zeit zuhause mit meiner Freundin zu verbringen.

Tief im Inneren bin ich immer noch heiß aufs Rennenfahren. Gäbe es eine Chance, noch mal zu fahren, würde ich die auf jeden Fall nutzen. Aber es geht einfach nicht, mein Herz macht das nicht mit.

Der Drop ist eine technische Schwierigkeit.

Der Drop ist eine technische Schwierigkeit.

Maud Kaptheijns mit einem überraschenden Sieg in Zonhoven.

Maud Kaptheijns mit einem überraschenden Sieg in Zonhoven.

Der amtierende CX Weltmeister Wout van Aert stürzt sich ins "Pit".

Der amtierende CX Weltmeister Wout van Aert stürzt sich ins "Pit".

Marcel: Du wurdest im Jahr 2009 in Hoogerheide zum ersten Mal Weltmeister. Damals gab es keine Scheibenbremsen. Alle fuhren mit Felgenbremsen. In den letzten drei Jahren haben sich die Räder stark verändert. Hättest Du geglaubt, dass Scheibenbremsen sich so schnell im eher traditionsbewussten Cyclocross durchsetzen würden?

Niels: Scheibenbremsen sind die wichtigste technische Entwicklung der letzten Jahre im Cross- und Straßenrennsport. Damals gab es sie nicht, aber jetzt geht es nicht mehr ohne.

Im Cyclocross sind Scheibenbremsen fast nicht mehr wegzudenken.

Im Cyclocross sind Scheibenbremsen fast nicht mehr wegzudenken. © Balint Hamvas, Cycle Photos

Marcel: Dein Team nutzt fast ausschließlich 1-fach Antrieb, eine weitere bahnbrechende  Entwicklung der letzten Jahre. Haben sich Deine Fahrer jemals über den fehlenden Umwerfer beschwert? Kannst Du Dir vorstellen, dass 1-fach sich auf der Straße durchsetzen wird? Team Aqua Blue wird das so ausgestattete 3T Strada in der Saison 2018 fahren.

Niels: Für den Cyclocross ist 1-fach großartig. Man sieht sogar Teams, die von anderen Herstellern gesponsert werden, wie sie ihren Antrieb auf 1-fach umrüsten. Am Ende hängt es aber sehr vom Fahrer ab, ob er ein 1-fach Setup mag. Wout (van Aert) ist ein gutes Gegenbeispiel. Er hat sich für die 2-fach eTap entschieden, weil er die weichen Gangwechsel mit kleiner Abstufung mag und das hat ihm auch dabei geholfen 2 Mal hintereinander Weltmeister zu werden. Ich glaube, er ist 46-36 vorne gefahren und der kleine Gang hat ihm an einem steilen Anstieg den entscheidenden Vorteil geboten. Es ist also eine sehr individuelle Entscheidung.

Auf der Straße hingegen wird es zum ersten Mal probiert, das wird interessant. Aber es gibt genügend Bandbreite und wenn die Gang-Abstufungen gut gewählt sind, dann klappt das. Wir werden sehen, wie es 2018 bei Aqua Blue läuft.

Der tiefe Sand erfordert viel Kondition.

Der tiefe Sand erfordert viel Kondition. © Balint Hamvas, Cycle Photos

Alle in einer Spur, am Ende des Rennens gibt es Anlieger.

Alle in einer Spur, am Ende des Rennens gibt es Anlieger. © Balint Hamvas, Cycle Photos

Marcel: Cyclocross ist ein Sport, bei dem die richtige Reifenwahl und der richtige Reifendruck über Sieg und Niederlage entscheiden können. (Je niedriger der Reifendruck, umso mehr Grip. Aber natürlich nicht zu niedrig, sonst schlägt der Reifen durch.) Bereits zu Deiner aktiven Zeit waren Dugast Schlauchreifen die erste Wahl und sie sind es für viele auch heute noch. Aber auch hier gibt es eine neue Entwicklung: Tubeless. Glaubst Du, dass auch dieser Trend vom MTB zum CX und Straßenrennsport überschwappen wird?

Niels: Tubeless hat den MTB-Sport revolutioniert. Das ist fast alternativlos. Momentan gibt es aber noch nicht viele Tubeless-Reifen für Cyclecross. Da muss noch was passieren. Auf der anderen Seite, es gibt einfach nichts Besseres als einen Dugast Reifen. Diese Reifen sind einfach unbeschreiblich, sie fahren sich samtweich und wunderbar. Dabei musst Du bedenken, dass im Gegensatz zum MTB die Reifen die einzige Federung sind, die wir Crosser haben. Daher sind auch Reifendruck, Profil und Gummimischung so wichtig. Es gibt viele Hersteller, die gute Schlauchreifen herstellen, sei es FMB, Challenge oder Vittoria, aber ehrlich gesagt, nichts ist wie ein echter Dugast!

Cyclocross hat in Belgien immer einen gewissen Volksfestcharakter.

Cyclocross hat in Belgien immer einen gewissen Volksfestcharakter. © Balint Hamvas, Cycle Photos

Cyclocross hat in Belgien höhere Eischaltquoten als Fußball.

Cyclocross hat in Belgien höhere Eischaltquoten als Fußball. © Balint Hamvas, Cycle Photos

Marcel: Wo wir bei den Reifen sind… Wir müssen noch mal über die letzte Weltmeisterschaft in Luxemburg sprechen. Es geht das Gerücht um, dass Du für die Reifenwahl von Wout van Art verantwortlich warst. Es heißt, er hat das Rennen auf 10 Jahre alten grünen Michelin Schlamm-Reifen aus Deinem Keller gewonnen. Woher wusstest Du, dass der Reifen so gut auf dem schlammigen, teilweise gefrorenen Boden funktionieren würde? Gibt es noch weitere Geheimwaffen aus der Vergangenheit, die wir in Zukunft an Wouts Rad sehen werden?

Niels: Ja, die grünen Pneus waren schon sehr auffällig. Ich würde gerne mehr von diesen geheimen Waffen einsetzen, doch das Regelwerk ist sehr streng. Alles was man fahren will, muss man so im Laden kaufen können. Allerdings gibt es ein paar Wege, wie man innerhalb der Regeln tricksen kann. Zum Beispiel ist es OK, das Profil eines alten Reifens auf eine neue Karkasse zu kleben. Da hat man viele Möglichkeiten zu experimentieren. Wir arbeiten da gerade an etwas für die Weltmeisterschaften in Valkenburg später in der Saison, um das Triple für Wout zu holen. Mehr kann ich da aber nicht sagen. Hoffentlich klappt es und wir können im nächsten Frühjahr wieder feiern.

Wout und Lars van der Haar auf der Verfolgung von Mathieu van der Poel

Wout und Lar van der Haar auf der Verfolgung von Mathieu van der Poel © Balint Hamvas, Cycle Photos

Wout auf dem Treppchen.

Wout auf dem Treppchen. © Balint Hamvas, Cycle Photos

Marcel: Eine letzte Frage. Zonhoven gilt als eine der spektakulärsten Stationen im Rennkalender. Was macht Rennenfahren hier so speziell und ist es eine Deiner Lieblingsstrecken?

Niels: Auf jeden Fall ist das “Pit”, die berühmte Sandgrube in Zonhoven, ganz speziell. Es handelt sich um ein richtiges Stadion und jedes Mal, wenn Du über die Kante hineinfährst, bekommst Du Gänsehaut. Die Rennen sind jedes Jahr großartig und sehr spannend. Meine Lieblingsstrecke war Koksijde, wo ich 2012 zum zweiten Mal Weltmeister geworden bin. Das Publikum war einfach überragend! Über 60.000 Zuschauer, unglaublich.  

Marcel: Dann bedanke ich mich für Deine Zeit und Deine Offenheit. Viel Glück und Erfolg für Dich und Dein Team. Bis dann!

Wout fliegt durch den Sand.

Wout fliegt durch den Sand. © Balint Hamvas, Cycle Photos