MTB-Fahrwerk Glossar: Alle Begriffe erklärt!
Federkennlinie, Negativkammer und Shim Stack - Soweit klar? Falls nicht, hilft Dir unser Glossar zum Thema Mountainbike-Federung.
Luftgabel und Coil-Dämpfer mit Titan- oder Stahlfeder? Wir erklären die Eigenschaften verschiedener Federmedien für Mountainbikes und E-Bikes.
Die meisten Mountainbikes und E-MTBs sind heutzutage mit Luftfederung ausgestattet. Aber gerade an Downhill- und Enduro-Bikes siehst Du wahrscheinlich auch immer wieder Stahlfedern. Ist es so einfach, dass Du an Deinem Downcountry-Bike einen Luftdämpfer fahren solltest und an Deinem Downhiller nur Stahlfederung? Scheinbar herrscht Uneinigkeit darüber, welches Federmedium das Beste ist. Tatsächlich haben alle aktuellen Optionen ihre Vorteile und welche die richtige für Dich ist, ist eine recht individuelle Entscheidung. Dabei hilft es, die grundlegenden Eigenschaften von Luft- und Metallfedern zu kennen. Wir geben hier einen Überblick. Auch wenn Gabeln mit Stahlfeder mittlerweile selten geworden sind, gelten die technischen Aspekte sowohl für Federgabeln als auch für Federbeine (: Dämpfer). Wenn Du darüber hinaus mehr über die vielfältigen Einstelloptionen moderner Federelemente erfahren willst, dann schau Dir unbedingt unseren Beitrag zu Fahrwerksparametern an.
Wenn wir vom Federmedium sprechen, dann ist es wichtig, zwischen Federung und Dämpfung zu unterscheiden. Unabhängig vom Federmedium übernehmen alle Federn die gleiche Aufgabe: Sie verformen sich bei Krafteinwirkung elastisch, um kurz darauf wieder in die Ausgangsform zurückzukehren. Dabei nehmen sie Energie auf und geben sie wieder ab. Wie weit Dein Bike bei einer bestimmten Kraft ein- und wieder ausfedert, bestimmt die Federung. Wie schnell oder langsam es federt, kontrolliert die Dämpfung. Wenn Du tiefer ins Detail gehen möchtest, schau Dir unseren Artikel zum Thema: „Wie funktioniert eine MTB-Federung? Feder und Dämpfer erklärt“ an. Alle Arten von Federn werden durch einige Kenngrößen beschrieben, die wir vorab kurz erklären wollen:
Die Federhärte (auch Federkonstante) bestimmt, wie viel Kraft beziehungsweise Gewicht auf die Feder wirken muss, um das Federelement um einen definierten Weg zu komprimieren oder zu strecken. |
Die Federkennlinie stellt die Federhärte über den Verlauf des Federwegs dar. Im Falle einer linearen Kennlinie bedeutet das, dass Deine Federgabel doppelt so weit einfedert, wenn die doppelte Kraft wirkt. Bei einer Feder mit progressiver Kennlinie hingegen ist mehr als doppelt so viel Kraft nötig, um sie doppelt so weit einzufedern. |
Der Sag (englisch für Absackung) beziffert, wie weit Dein Federelement unter Deinem Gewicht komprimiert wird, ohne dass weitere Kräfte wirken. Er wird meist in Prozent des Gesamtfederwegs angegeben und ermöglicht es Deinen Federelementen bei Entlastung weiterauszufedern. Wenn Du zum Beispiel durch ein Schlagloch fährst, können Deine Laufräder so den Bodenkontakt halten. |
Federgabeln und Dämpfer mit Luftfederung sind an Mountainbikes aller Kategorien mittlerweile weit verbreitet. Der Grund dafür sind wohl die beiden größten Vorteile: Zum einen ist das die Möglichkeit, die Federhärte über den Luftdruck präzise auf das Fahrergewicht und andere Faktoren anzupassen. Das kannst Du auch kurzfristig, ohne viel Aufwand tun, um Dein Fahrwerk beispielsweise für einen Ausflug in besonders steiles Gelände anzupassen oder das Gepäck bei einer Bikepacking-Tour auszugleichen. Zum anderen sind Luftfederungen deutlich leichter: Luft wiegt im Gegensatz zu Federn aus Metall nichts. Das Grundprinzip der Luftfederung ist einfach: Durch ein Ventil befüllst Du eine dichte Luftkammer mit einem Luftdruck, der Dein Gewicht statisch im Sag hält. Beim Einfedern ändert sich das Volumen: Die Luft wird mit einem Kolben komprimiert. Im Gegensatz zu Schraubendruckfedern hat Luftfederung deshalb eine progressive Kennlinie. Zum Ende des Federwegs hin bietet sie so einen gewissen Durchschlagschutz. Da die Progression bei Luftfederung vom Volumen der Luftkammer abhängt, kannst Du die Kennlinie bei den meisten High-End-Gabeln und -Dämpfern mit sogenannten Volumen-Spacern individuell abstimmen. RockShox nennt diese Spacer „Bottomless Token“ und bei Fox Racing Shox heißen sie „Air Volume Spacer“. Mehr Spacer verringern das Luftvolumen und erhöhen damit die Progression. Andere Systeme, wie das „Total Tune Spring Curve System“ (TTSC) von Öhlins oder „Ramp Control “ von MRP sind etwas komplexer konstruiert, funktionieren aber dynamischer und versprechen noch bessere Möglichkeiten für Fine-Tuning.
Luftfederungen lassen sich leicht und ohne viel Aufwand an Fahrer und Gelände anpassen. © bc GmbH
Praktisch alle Luftfederelemente haben heute eine sogenannte Negativfeder. Dabei geht es nicht um Negativfederweg (siehe auch Sag), sondern darum, ein grundlegendes Problem von Luftfedern zu eliminieren: Da eine einfache Luftkammer auch im voll ausgefederten Zustand unter Druck steht, braucht es eine gewisse Kraft, um sie überhaupt in Bewegung zu setzen. Frühe Gabeln mit Luftfederung hatten deshalb ein eher schlechtes Ansprechverhalten und beim Ausfedern war deutlich ein Anschlag zu spüren. Moderne Federelemente behelfen sich mit der Negativfeder. Sie wirkt dem Druck in der positiven Luftkammer im ausgefederten Zustand entgegen und hebt ihn quasi auf. So kann Dein Federelement auch schon auf Kräfte reagieren, die eigentlich kleiner sind, als es der Luftdruck in der Hauptkammer erlaubt. Da die Negativfeder deutlich kleiner konstruiert ist, wirkt sie nur am Anfang des Federwegs und hat darüber hinaus praktisch keinen Einfluss. Die meisten Dämpfer und Gabeln nutzen eine zweite, kleine Luftkammer als Negativfeder. Der Luftdruck wird beim Einfedern automatisch mit der Hauptkammer ausgeglichen. Einige Hersteller verwenden stattdessen eine kleine Stahl- oder Titanfeder und kommen dadurch mit weniger Dichtungen aus.
An Mountainbikes für den härteren Einsatz finden sich nach wie vor Titan- oder Stahlfedern – insbesondere am Dämpfer, wo sie auf den ersten Blick auffallen. Das Federmedium ist eine sogenannte Schraubendruckfeder (auch: gewundene Torsionsfeder), die auf dem Dämpfer sitzt und beim Einfedern zusammengedrückt wird. Auch wenn das technisch nicht ganz korrekt ist, wird umgangssprachlich oft von einer Spiralfeder gesprochen. Die Vorteile von Metallfedern liegen vor allem in der Performance auf dem Trail:
Die meisten Schraubendruckfedern bestehen aus Federstahl. Sie sind günstig, was besonders von Vorteil ist, wenn Du verschiedene Federhärten ausprobieren möchtest. Titanfedern hingegen sind zwar kostspielig, dafür aber deutlich leichter. Außerdem sind sie rostfrei – auch ohne Beschichtung. Seit ein paar Jahren bieten einige Hersteller darüber hinaus spezielle Stahlfedern an, die leichter konstruiert und oft auch an den MTBs von World-Cup-Profis zu sehen sind. Sie bewegen sich preislich zwischen Titan und einfachem Stahl, sind dabei aber oft sogar leichter als Titan. Ein Beispiel dafür sind die Federn mit dem Namenszusatz „Super Light Steel“ (SLS) von Fox.
Federungen mit Stahlfeder sind besonders feinfühlig und halten die Federhärte auch nach mehreren Stunden noch konstant. © bc GmbH
Die Federhärte von Schraubendruckfedern hängt neben der Legierung vom Durchmesser und der Anzahl der Windungen ab, sowie vom Querschnitt des Drahtes. Sie wird bei Mountainbike-Federelementen meist in Pounds per Inch (lb/in oder kurz auch nur lbs) angegeben. Die Zahl gibt also an, wie viele englische Pfund (1 lbs entspricht etwa 454 Gramm) auf die Feder wirken müssen, um sie einen Zoll (25,4 Millimeter) zu komprimieren. Welche Federhärte die richtige für Dich und Dein Bike ist, hängt in erster Linie von Deinem Gewicht und Deinem gewünschten Sag ab. Am Hinterrad spielen außerdem das Übersetzungsverhältnis Deines Rahmen, der Federweg und die Gewichtsverteilung zwischen Vorder- und Hinterrad eine wichtige Rolle. Eine Feder mit der passenden Härte zu verbauen ist wichtig, da Du sie nicht nachträglich einstellen kannst. Die Vorspannung ändert nicht die Härte, sie verschiebt nur die Kennlinie nach oben und verschlechtert dadurch das Ansprechverhalten. Du solltest die Vorspannung möglichst nur dazu nutzen, Deine Feder spiel- und klapperfrei zu montieren. Wenn Du das Gefühl hast, zu tief im Federweg zu sitzen, dann solltest Du eine härtere Feder verbauen, anstatt die Vorspannung zu erhöhen.
Tipp: Einige Dämpfer-Hersteller stellen Online-Rechner zur Verfügung, die es Dir erleichtern, die Federhärte zu ermitteln. Wenn Du Dir unsicher bist, kontaktiere uns gerne direkt!
Neben Metall- und Luftfederung spielten früher Elastomere eine wichtige Rolle an Mountainbikes. Heute findest Du solche stoßdämpfenden Elemente aus Kunststoff höchstens noch in minimalistischen Systemen an Cross-Country-Softtails, Gravelbikes, an Kinder- oder Falträdern. Eine andere Nische sind Gabeln mit Carbon-Blattfedern, die aber auch kaum mit vollwertigen Mountainbike-Federgabeln vergleichbar sind.
Die große Frage bleibt: Titan- beziehungsweise Stahlfeder oder Luftfederung? Wie so oft kannst nur Du selbst Deine Prioritäten festlegen. Willst Du Dein Bike leicht halten oder bist gerne flexibel beim Setup? Dann ist Luft wahrscheinlich die bessere Wahl. Legst Du hingegen mehr Wert auf das beste Ansprechverhalten, maximalen Grip und das auch noch am Ende einer langen, anspruchsvollen Stage beim Enduro-Rennen oder auf der Downhill-Strecke? Dann könnte sich ein Wechsel auf Stahlfeder lohnen. Achte bei der Entscheidung aber unbedingt auf die Empfehlungen und Freigaben des Herstellers Deines Bikes. Eine Kinematik, die für progressive Luftdämpfer designt ist, könnte mit einem Stahlfederdämpfer dazu neigen, durch den Federweg zu rauschen und durchzuschlagen. Am Ende bleibt die Entscheidung neben allen sachlichen Aspekten auch ein Stück weit Geschmackssache. Auf der einen Seite werden mittlerweile Downhill-Worldcups mit Luftdämpfern gewonnen und auf der anderen Seite sieht man glückliche Biker:innen auf Feierabendrunden mit Stahlfederdämpfer am Downcountry-Bike.