Im Test: Garmin Rally Pedal-Powermeter - Vier g...
Garmin bringt die 4. Generation seiner Powermeter Pedale auf den Markt – Rally heißt das extrem vielseitige System. Jonas konnte sie vorab für Dich testen.
Training mit Köpfchen: Über Leistungsmessung, die Tricks der Profis und Zurückhaltung im ersten Anstieg.
Eigentlich ist es die goldene Regel für jeden Anstieg und jedes Rennen: Geh‘ es nicht zu schnell an! Eigentlich. Denn im Eifer des Gefechts gehen den meisten Radsportlern doch die Gäule durch: Sie preschen in den Berg, als gäbe es kein Morgen. Und mit Blick durch die Trainingswissenschaftler-Brille gibt es dieses „Morgen“ häufig dann tatsächlich nicht (mehr). Denn: Der Leistungsabfall infolge übertriebener Anfangsgeschwindigkeit ist enorm. Und die Chancen auf eine neue Bestzeit auf der Hausrunde oder eine gute Platzierung im Feld sind fast genauso schnell dahin wie der Muskel übersäuert und seine Leistungsbereitschaft sinkt.
Was also tun? Nur langsamer an die Sache rangehen? Jein! Denn woher soll man als Freizeitsportler denn wissen, wie langsam oder wie schnell denn nun optimal ist? Einer, der diese Frage sehr präzise beantworten kann, ist Björn Kafka. Er war früher selbst Leistungssportler, dann Journalist (beim BIKE Magazin) und ist heute Gesellschafter der Firma waytowin. Dort leitet er das Training, sowohl für Hobbysportler als auch namhafte Profis wie Karl Platt, Alban Lakata oder Sascha Weber. Zum Thema Belastungssteuerung sagt Kafka ganz eindeutig: „Powermeter zählen für mich zu den entscheidenden Tools der Belastungssteuerung.“ Die Begründung liefert er gleich mit: „Powermeter sind wie Hanteln beim Krafttraining: Zwölf Kilo sind zwölf Kilo und 200 Watt sind 200 Watt.“ Durch die Messung der auf den Antrieb einwirkenden Muskelkräfte – praktisch geschieht das je nach Gerät durch die Messung der Materialverwindung in der Pedalachse, am Spider der Kurbel oder an der Hinterradnabe – wissen Sportler oder Trainer sofort, was am Pedal ankommt. Profitechnik? Im Gegenteil: „Was beim Profi funktioniert, funktioniert auch beim Freizeit(renn)fahrer, denn: Zelle ist Zelle.“ Dabei arbeitet Björn für die Steuerung des Trainings und die Steuerung der Belastung im Wettkampf komplett zahlenbasiert.
Björn Kafka, Trainingsexperte bei waytowin
„So ein Powermeter ist ein Outdoor-Labor, besonders in Kombination mit der Herzfrequenz“, ordnet Björn die Messgeräte entsprechend ein. „Ein Training lässt sich damit viel, viel präziser analysieren. Vor allem bei der Korrelation von Leistung, also der durch den Muskel erzeugten Vortriebskraft, und der Herzfrequenz.“ Wenn die Detektivarbeit eines Trainers beginne, dann sei die Kombination aus Powermeter und Pulsmessung die Grundlage für die Analyse, wo sich noch Zeit herausholen ließe, sagt Björn. Dafür muss man sich aber entweder selbst gut auskennen oder einen Trainer haben, der das interpretieren kann.
Doch selbst für Laien gilt: „Eine Trainingssteuerung funktioniert mit dem Powermeter viel besser als mit der Pulsuhr.“ Denn die Herzfrequenz als Parameter alleine liefert nur bedingt verlässliche Daten. Die Änderung der Herzfrequenz sei nichts anderes als eine Reaktion des Körpers auf Stress, sagt der Experte. Und die Liste der Dinge, die der Körper als Stress empfindet ist lang… Sportliche Betätigung, klar. Aber auch Wetter, Tagesform, ja sogar die Ernährung haben Einfluss auf den Puls. Vor diesem Hintergrund sei es auch so unpräzise, die Belastung in Training und/oder Wettkampf nur über diesen Parameter zu steuern. „Es gibt mitunter ausgeprägte individuelle Unterschiede, wann ein Radsportler beziehungsweise bei welcher Herzfrequenz er seine optimale Leistung bringen kann“, erklärt Björn.
Das ‚optimal‘ ist natürlich eine Frage des Anspruchs – und ob man überhaupt optimal unterwegs sein möchte. Aber sind wir mal ehrlich: Auf dem Rad möchte man (fast) immer gerne schneller, weiter oder höher fahren. Das ist der Rausch der Geschwindigkeit auf dem Rennrad. Oder die Faszination einer weiteren Runde auf dem Trail.
Und wie geht man das in der Praxis an? „Am Anfang einfach mal mit einem Powermeter fahren. Um ein Gefühl für die Zahlen zu bekommen, welche Leistung die Beine in welcher Situation und vor allem nach welcher Zeit bringen“, lautet der Tipp von Björn. „Wenn ich mit 200 Watt losfahre, dann fühlt sich das erstmal nach nichts an. Aber nach zwei, zweieinhalb Stunden merke ich: ‚Hoppla, das ist ja anstrengend!‘“. Im Fahrerfeld einer Tour de France oder einer Transalp Challenge bedienen sich die Profis genau dieser Information: Die Fahrer rufen, per Powermeter gemessen, exakt die Leistung ab, die sie lange drücken können, ohne zu explodieren. „Wenn ich weiß, dass meine ideale Dauerleistung, wir nennen das Schwellenleistung, bei z.B. 350 Watt liegt, dann gehe ich vielleicht mit 330-340 Watt in den Berg“, erklärt der Trainingsfachmann die Vorgehensweise. So könne man sicherstellen, dass man den Anstieg schaffe oder eben in einer vorgenommenen Zeit bewältigen könne.
Um als Freizeitsportler diesen Wert der Schwellenleistung herauszufinden gibt es prinzipiell drei Möglichkeiten. Erstens: Durch die Beobachtung der eigenen Leistungsdaten über einen längeren Zeitraum. Dadurch findet man die Wattleistung, bei der man am Ende nicht einbricht, allerdings sehr grob und maximal näherungsweise heraus. Zweitens: Über eine umfassende Leistungsdiagnostik, jedoch ist das mitunter kostspielig und die Zahl der Institutionen, die eine solche Diagnostik durchführen ist überschaubar. Drittens: Über Testfahrten und einen klassischen FTP-Test über 20 Minuten. Björn: „Ich bin ein Freund von verschiedenen Testfahrten – über vier Minuten und 20 Minuten.“ Daraus errechnet man (Sportler oder Trainer) mithilfe vorgegebener Formeln die durchschnittliche Leistungsfähigkeit und kann mit dieser Zahl im Kopf, die nächste Ausfahrt in Angriff nehmen. Der Gang zum Trainer ist dabei nicht zwingend gleich am Anfang nötig: Die Head Units der Systeme, also die Lenker-Displays, bieten diverse Modi an, um eine Standortbestimmung per Test durchzuführen. Insbesondere in Verbindung mit Online-Trainingsplattformen à la Zwift & Co. können so die Schwellenleistung ermittelt, als auch gesteuertes Training im Anschluss durchgeführt werden.
„Das Tolle allgemein gesprochen ist, dass ich den subjektiven Bereich verlasse und meinem Gefühl im Anstieg eine konkrete Zahl zur Seite stellen kann“, schließt Björn. „Ich weiß durch den Powermeter einfach, in welchem Bereich meiner Leistung ich mich bewegen muss, um entweder die gewünschte Trainingsfortschritte zu erzielen. Oder schlicht, um meine Erfolgserlebnisse durch Bewältigung schwieriger Anstiege oder dem Knacken gewisser Zeiten zu bekommen.“