Veränderungen von der bisher als "normal" geltenden zur neuen Boost Hinterradnabe
Veränderungen von der bisher als "normal" geltenden zur neuen Boost Hinterradnabe

Neue Einbaubreiten - Teil 1: Boost - Der Innovations-Booster für die Laufradwelt?

Innovation und Weiterentwicklung ist oft mit neuen Standards verbunden. Boost, soll mehr Steifigkeit und Stabilität bringen. Skeptiker klickt hier.

Gleiche Speichenspannung - höhere Steifigkeit! Wie kann das sein? 
Ursprünglich wurde der Boost-Standard 2010 von SRAM entwickelt. Durch die neuen Laufradgrößen 27,5" und 29" wurden die Laufräder tendenziell weniger steif. Die Lösung: der Boost-Achsstandard. Dieser baut hinten 6 mm und vorne 10 mm breiter. Die Speichenflansche wanderten nach außen und die Speichenwinkel wurden flacher. Durch diesen Clou ist ein 29er Boost genauso steif wie ein klassisches 27,5" Laufrad und ein 27,5" Laufrad wird so steif wie ein klassisches 26" Laufrad.

Bisher war die gängige Achsbreite eines Vorderrades bei 100mm

100mm Achsbreite war bisher gängig

Der neue Boost Standard bringt eine neue Achsbreite mit sich: 110mm am Vorderrad

Boost hat eine Achsbreite von 110mm am Vorderrad

Der Markt und die Auswahl an Mountainbike-Laufrädern ist in den letzten Jahren explodiert. Da kommt bei Vielen die Frage auf, ob die ganzen neuen Standards noch etwas mit der Verbesserung des Bikes zu tun haben oder wir uns von Marketing-Strategien das Geld aus der Tasche ziehen lassen? Das ist die eine Seite der Medaille, andererseits würde es ohne neue Standards auch keinen Fortschritt mehr geben.

Einer dieser neuen Standards ist Boost und bezieht sich auf die Breite der Achsen bzw. die Abstände der Speichenflansche an der Nabe. Die alten und neuen Achsbreiten habe ich hier in einer Tabelle aufgeführt.

Achsbreiten

bisher Boost
Vorderrad 100 mm 110 mm
Hinterrad 142 mm 148 mm

Wie und warum wurde die Einbaubreite vergrößert?

Speichenwinkel Alpha und Beta

Speichenwinkel Alpha und Beta

Die Entwicklung des Boost-Standards ging mit dem Trend der größer werdenden Laufräder einher. Das Problem dabei: Je größer ein Laufrad wird, desto weniger steif ist es. Das liegt daran, dass die Kraft, je größer die Felge wird, weiter vom Drehpunkt weg einwirkt und der Hebel größer wird. Um diesem Effekt entgegenzuwirken, ohne erheblich mehr Material zu verbauen, musste eine Weiterentwicklung her.

Durch die Vergrößerung der Einbaubreite der Vorder- und Hinterräder konnte der Winkel des Speichenschirms (α, ß) flacher gestaltet werden. Resultierend aus dieser Abflachung wird das Laufrad steifer und kann die in den Kurven entstehenden Querkräfte besser aufnehmen. Dadurch könnt ihr euer Bike präziser durch Kurven steuern und einfacher die angepeilte Linie halten.

Was bringt der Boost-Standard?

Allgemein kann man sagen, dass der breitere Achsstandard Vorteile in Stabilität und Steifigkeit bringt. Durch die Verbreiterung des Speichenschirms können die in Kurven entstehenden Querkräfte besser aufgenommen werden, da die Winkel der Speichen flacher werden.

Somit werden die Boost-Laufräder stabiler und steifer als bisherige Laufräder. So kann z. B. ein 29“ Boost-Laufrad genauso steif sein wie ein bisheriges 27,5“ Laufrad.

Außerdem wurde durch die Verschiebung der Kettenlinie* um 3 mm nach außen mehr Platz für breitere Reifen geschaffen. Dieser Platz wird z. B. bei „Plus“-Bereifung (Reifenbreiten von 2,8"-3,25") benötigt.

*Die Kettenlinie bezeichnet den Abstand von der Mittelachse des Fahrrades bis zum mittleren Ritzel oder Kettenblatt.

Veränderungen am Vorderrad bzw. an der Gabel

Veränderungen von der bisher als "normal" geltenden zur neuen Boost Vorderradnabe

Veränderungen von der bisher als "normal" geltenden zur neuen Boost Vorderradnabe

Die Speichenflansche der Boost-Vorderräder wurden symmetrisch um 5 mm nach außen verschoben. Durch die Verschiebung der Flansche werden einmal die oben schon genannten Steifigkeits- und Stabilitätsvorteile erreicht, zum Anderen wächst natürlich auch die Einbaubreite des Vorderrads von 100 mm auf 110 mm. Sein Vorderrad also einfach auf Boost umrüsten, ist nicht möglich, da man auch eine breitere Gabel brauchen würde.

Veränderungen an Hinterrad, Rahmen und Kurbel

Veränderungen von der bisher als "normal" geltenden zur neuen Boost Hinterradnabe

Veränderungen von der bisher als "normal" geltenden zur neuen Boost Hinterradnabe

Die Veränderungen am Vorderrad können fast auf das Hinterrad übertragen werden. Auch hier wurden beide Speichenflansche symmetrisch nach außen verschoben, diesmal nur um 3 mm. So wächst auch die Einbaubreite des Hinterrades um 6 mm von 142 mm auf 148 mm. Der Hinterbau des Rahmens muss natürlich auch die entsprechende Breite haben.

Um die 3 mm-Versetzung der Kassette wieder auszugleichen, sind auch Boost-Kurbeln auf den Markt gekommen. Damit der Q-Faktor (waagerechter Abstand der beiden Kurbelarme auf der Höhe der Pedalaufnahme) im Vergleich zu normalbreiten Achsstandards gleich bleiben konnte, wurden bei Boost-Kurbeln einfach die Kettenblätter um 3 mm nach außen gesetzt. D. h. nur der Stern hat eine andere Form, ansonsten unterscheiden sich Boost und normale Kurbeln nicht voneinander.

Durch die breitere starre Hinterachse wächst auch die Steifigkeit des Rahmens. Aber Vorsicht, einfach ein Boost-Hinterrad in einen normalen Rahmen einbauen klappt nicht. Wer Boost fahren möchte, braucht einen entsprechenden Rahmen.

Was brauche ich für eine Boost-Umrüstung?

  • Boost-Vorderrad
  • Boost-Hinterrad
  • Boost-Gabel
  • Boost-Rahmen
  • Boost-Kurbel

Info aus dem Nähkästchen von tune

Die erste Firma, die den Boost-Standard in ihren Bikes verbaute, war Trek. Der Steifigkeitsvorteil durch die breitere Achse war einer der Gründe. Um den Standard weiter zu verbreiten, hat sich Trek noch ein paar namhafte Hersteller mit ins Boot geholt, z. B. den deutschen Leichtbauspezialisten tune. In einem Gespräch mit dem Geschäftsführer von tune, Sebastian, habe ich erfahren, dass mittlerweile auch CC-Teams wie das Vaude Centurion Boost-Hinterbauten im World Cup fahren. Auch andere namhafte Bikehersteller setzen auf den Boost-Standard.

Da sich Boost auf dem Markt etabliert hat, erweitert tune auch sein Boost-Naben-Sortiment. Auf der Eurobike wird die neue Skyline Boost-Nabe vorgestellt werden. Man darf gespannt sein, wie das Laufrad weiterhin neu erfunden wird.

Meine Meinung zu Boost

Aus technischer Sicht macht Boost auf jeden Fall Sinn. Die Laufräder sind steifer und stabiler. Um die Unterschiede wirklich beim Fahren zu merken, muss man schon ein sensibler Fahrer sein. Aber, selbst wenn man es nicht beim Fahren merkt, seltener zentrieren muss man Boost-Laufräder bestimmt.

Auf Boost umzurüsten ist sehr aufwendig und lohnt sich meiner Meinung nach nicht. Guckt man sich aber gerade sowieso nach einem neuen Bike um, sollte man Boost-Bikes auf jeden Fall in Betracht ziehen. Ersatzteile dürften auch kein Problem werden, da die Entwicklung des Marktes zeigt, dass Boost von vielen Herstellern angenommen wird.