Five Ten Kestrel
Five Ten Kestrel

Im Test: Five Ten Kestrel

Ein Schuh von Five Ten? Und dann auch noch mitentwickelt von Jerome Clementz und Nico Vouilloz? Das kann doch nur was Gutes sein, oder....

Ein Schuh von Five Ten? Und dann auch noch mitentwickelt von Jérôme Clementz und Nico Vouilloz? Das kann doch nur was Gutes sein!

Sowohl beim Cross Country- als auch beim Downhill-Fahren bin ich seit Jahren auf Klickschuhen unterwegs. Beim Downhill nutze ich die schweren, aber altbewährten Five Ten Greg Minnaar in Kombination mit dem neuen Crank Brothers Mallet DH Pedal und beim Cross Country- bis Enduro-Fahren leichte Mavic Rush Schuhe. Alleine von der Produktbeschreibung her würde der Kestrel sich genau zwischen diesen beiden Schuhmodellen platzieren. Er ist ein leichter, fürs Enduro-Fahren konzipierter Klickschuh. Genau das, was ich suche!

Five Ten Kestrel, Mountainbike, Fahrrad Schuh, MTB-Schuh, Klickschuh
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Haptik

Zwei Dinge fallen sofort auf. Das erste ist das wirklich geringe Gewicht für einen typischen Five Ten Schuh (Größe 45 – 526g/Schuh), das zweite ist das BOA Verschlusssystem.

Während mich das Gewicht sofort überzeugt hat, bin ich beim BOA Verschluss noch skeptisch. Das Drahtseil hat einen Durchmesser von weniger als einem Millimeter. Na, wenn das mal nicht in meine Füße

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schneidet und mir alle dringend benötigten Venen und Nerven abklemmt. Hier wird sich sicherlich beim ersten Trails-Shredding zeigen, ob das BOA Konzept aufgeht oder nicht.

Nun zu den restlichen Details des Schuhes, denn davon gibt es noch einige. Der komplette vordere Schuhbereich hat als Oberschicht eine dicke Lage Synthetik-Material, welches wasserabweisend ist. Eine zusätzliche Schicht im Zehenbereich soll die Zehen vor schmerzhaften Impulsaustauschen mit umherfliegenden Steinen und anderen Trailhindernissen schützen. Ist auf den ersten Blick eine super Sache und wirklich durchdacht, doch hoffentlich funktioniert die Wärmeabfuhr weiterhin.

Der Hauptgrund für den Kauf von Five Ten Schuhen ist bei den Meisten von euch sicher die mit Grip um sich schmeißende Mi6 Stealth Rubber Sohle. Diese würde durch die nötige Drehbewegung zum Ausklicken

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Das Klicksystem

aus einem Klickpedal jedoch recht schnell verschleißen und auch die Kraftübertragung wäre nicht ganz optimal. Five Ten hat deshalb beim Kestrel um die Aussparung der Cleats herum die härteste C4 Gummimischung und für die restliche Sohle die erwähnte Mi6 Mischung eingesetzt. Hier bin ich vor allem gespannt, wie sich der Schuh im Langzeittest bewährt, denn gerade bei Crank Brothers Mallet Pedalen ist Sohlenverschleiß aufgrund der Drehbewegung über die Pedalpins sehr hoch.

Laut Five Ten ist es der steifste Schuh, den Five Ten aktuell im Programm hat. Das merkt man auch schon, wenn man versucht den Schuh in den Händen zusammenzudrücken. Da lässt sich nichts verbiegen. Eine gute Kraftübertragung ist also zu erwarten.

Aber genug gesagt, jetzt kommt’s zum Praxistest.

Auf dem Trail

Bevor es losgehen kann, müssen noch die Cleats montiert werden. Die Montage ist super einfach und auch die sonst so lästige Feinjustage ist schnell erledigt. Five Ten hat eine Skala angebracht, an welcher man sich für die Cleat Position orientieren kann.

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Cleat Montage

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Skala zur Justierung

Der Verstellbereich ist sehr groß, meines Erachtens sogar etwas unnötig groß. Einen Nachteil hat man dadurch aber natürlich nicht.

So schnell aus- und angezogen hatte ich einen MTB Schuh noch nie. Hier kann das BOA Verschlusssystem auf voller Linie punkten. Man zieht den Schuh an und dreht einfach das Rädchen zum Zuziehen der Drahtseile. Die Rasterung ist fein genug, um eine Stufe zu finden, in welcher der Fuß fest im Schuh sitzt, aber auch nicht eingeschnürt wird. Sollte man beim Fahren den Schuh doch noch enger schnüren, kann man dies ganz einfach mit einer Hand beim Fahren machen. So schnell ich den Schuh auch anhatte, ausgezogen hatte ich ihn noch schneller. Hierfür zieht man einfach das Rädchen nach außen und schon ist die Spannung der Drahtseile aufgehoben.

Als Erstes fahre ich den Schuh auf meinem Enduro in Kombination mit Shimano XT Trail Pedalen. Das Einklicken ins Pedal ist kinderleicht, da man durch die Aussparung für die Cleats nicht an Stollen oder der Profilsohle hängen bleiben kann. Ausklicken lässt es sich noch schneller. Das wird dann hoffentlich das eine oder andere „Hilfe ich kippe, kann aber meinen Fuß nicht absetzen“-Malheur in kniffligen Spitzkehren oder Steilstücken verhindern.

Getestet wird auf den Trails rund um Aachen herum. Bevor es bergab gehen kann, müssen erst einmal die Traileinstiege erklommen werden. Die Kraftübertragung ist wirklich spitze und mindestens genau so gut wie bei einem schnittigen und auf optimale Kraftübertragung ausgelegten Cross Country Schuh. Auch der BOA Verschluss schneidet nicht, wie anfangs befürchtet, in den Fuß und garantiert eine astreine Blutversorgung.

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Angenehme Passform

Die ersten Trails waren zum Teil noch durch den Regen der letzten Tage gezeichnet und dementsprechend nass. Für den Kestrel kein Problem, meine Zehen blieben durch den wasserabweisenden vorderen Teil des Schuhs trocken. Die Belüftung leidet dadurch natürlich etwas. Aber bei 2-3 Stunden Touren mit gemäßigten Temperaturen von ca. 15-20°C wurde es (bisher) nicht zu warm im Schuh. Hier wird der Langzeittest zeigen, ob man den Schuh auch an warmen Sommertagen tragen kann, ohne kochende Füße zu bekommen.

Bergab habe ich mich mit dem Schuh sicherer gefühlt als mit meinem Cross Country Schuh. Man steht relativ flach im Schuh und hat ausreichend Freiheit für die Zehen. In Kombination mit der biegesteifen Sohle steht man fest auf dem Pedal und kann auch die noch so wurzeligen und steinigen Trails mit Mach 3 runterheizen (Es lebe der Klickschuh!), ohne befürchten zu müssen, den Schuh-Pedal-Kontakt zu verlieren.

Falls man an einem steilen, technischen Anstieg keine Beinkraft mehr hat und absteigen muss (Passiert auch den Besten!) findet man auf steinigen und vor allem trockenen Untergründen mit der Mi6 Sohle genug Halt. Wenn es jedoch nass und schlammig wird, kann man sich schon mal auf den einen oder anderen Ausrutscher einstellen und nur hoffen, dass man einen Baum zum Festhalten findet. Hier sind Cross Country Schuhe mit ihren Stollen ganz klar im Vorteil.

Nachdem der Schuh mich bergab schon ziemlich überzeugt hat, wollte ich noch testen, ob ich ihn auch anstelle meines alten Five Ten Greg Minnaar Schuhes in Kombination mit dem Crank Brothers Mallet DH fahren kann. Die Cleats sind aufgrund der bereits erwähnten Markierung schnell getauscht und eingestellt. Im direkten Vergleich mit dem XT Trail Pedal kann man gut erkennen, dass die Sohle des Schuhs optimal von dem Pedal ausgenutzt wird. Das verspricht auf Anhieb sehr viel Halt und Grip.

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Sehr viel Grip auf den Pedalen

Jedoch wurde ich beim ersten Testen dann doch enttäuscht. Denn dadurch, dass die Cleats sehr tief in der Sohle sitzen, ist selbst mit 1-2mm herausgedrehten Pedalpins ein Ausklicken des Schuhs nur sehr schwer möglich. Nach dem ersten Ausklicken kann man auch sofort sehen, dass der eine oder andere Pin schon ein ordentliches Andenken in der Sohle hinterlässt. Die einzige Option wäre hier, die Pins wirklich auf das Minimum reinzudrehen, nur dann wäre auch der Grip nicht höher als bei dem XT Trail Pedal. Bliebe nur noch der Vorteil der größeren Standfläche auf dem Mallet Pedal. Aber da die Schuhsohle ohnehin schon sehr steif ist, merkt man hier nur einen geringen Unterschied. Weshalb ich mich vorerst dazu entschieden habe, den Schuh in Kombination mit dem XT Trail Pedal zu fahren.

Fazit

Bis jetzt kann ich sagen: Jeder, der beim Kestrel einen klassischen Five Ten Schuh erwartet, wird enttäuscht sein. Aber jeder, der einen intuitiven, stabilen und super bequemen Enduro Schuh sucht, wird begeistert sein. Das BOA Verschlusssystem ist von der Handhabung her das einfachste und schnellste (ja, da können auch Klettverschlüsse nicht mithalten), das ich bisher benutzt habe. Die Details, wie der wasserabweisende vordere Teil des Schuhs, sind nicht nur reine Werbeversprechen, sondern können auch auf dem Trail voll überzeugen. Zu beachten ist aber, dass ihr den Schuh mit dem passenden Pedal fahrt. Alle Pedale mit Klick-System und großer Standfläche mit Pins (wie z. B. die erwähnten Crank Brothers Mallet DH) sind für den Kestrel nicht optimal. Hier empfehle ich ganz klar Klickpedale ohne großen Käfig drumherum. Mit positivem Nebeneffekt: Ihr spart dann auch an Gewicht bei den Pedalen.

Einziger bisheriger Wermutstropfen ist der recht geringe Halt in steilen Schiebepassagen. Da heißt es dann wohl: Zähne zusammenbeißen, Kette links und hochkurbeln!

Zu guter Letzt: Das war mein erster Klickschuh, bei dem ich nicht das obligatorische Klick-Klack-Geräusch beim Gehen auf der Straße hatte, was an den sehr tief in der Sohle angebrachten Schuhplatten liegt. Also für alle Klickschuh-Fahrer unter euch, die auf dem Weg zum Lift nicht wie ein Stepptänzer auffallen wollen, jetzt habt ihr den passenden Schuh dafür.

In ein paar Wochen kommt dann das Update, in welchem ich euch noch von meiner Langzeiterfahrung mit dem Schuh berichte. Hier bin ich vor allem gespannt, wie der Verschleiß der Sohle ist und ob das BOA Verschlusssystem auch nach nassen Touren mit viel Dreck und Schlamm noch einwandfrei funktioniert.

Bis dahin, Happy Trails!