bc unterwegs: Aachen to Smethwick – ein Hausbesuch der besonderen Art

Von Aachen aus fuhren wir über Maastricht weiter entlang des Albert-Kanals bis nach Antwerpen.

Nach einer Stärkung mit feinster belgischer Friture radelten wir noch ein Stück weiter bis es wieder ländlicher wurde, um hier unsere Zelte für die Nacht aufzuschlagen. 179 km waren so am ersten Tag absolviert.

Am zweiten Tag ging es dann weiter in Richtung Nordsee. Nach einem zähen Kampf im Gegenwind und einer obligatorischen Runde am Strand erreichten wir den Hafen von Zeebrügge nach 90 km.

Hier legte am späten Nachmittag die „Pride of York“ in Richtung England ab.

Über P&O Ferries hatten wir uns bereits vorab die nächtliche Überfahrt inklusive Kabine mit Seeblick und deftigem Frühstück für 247,50 € (2 Personen) gesichert. Auf der täglich ablegenden Fähre erhält man für die Überfahrt bis an die Ostküste Englands nach Hull eine Kabine mit Etagenbetten inklusive eigenem Bad – für uns also purer Luxus. Am Morgen drehten wir unsere Uhren eine Stunde zurück auf die britische Zeit und stürzten uns in den Linksverkehr Englands. Der Weg führte uns über die Humber Bridge, weiter über die typisch dicht bewachsenen Landstraßen, durch wunderschön kultivierte Wälder und Landschaften.

Uns entgegenkommende Radfahrer grüßten uns durchweg überaus freundlich und auch die Autofahrer zogen lieber knallhart in den Gegenverkehr als uns zu nahe zu kommen. Nach 159 km war das Tagessoll erreicht und eine weitere Übernachtung in den mitgeführten Zelten stand uns bevor. Nach einer beinahe trockenen Nacht überbrückten wir nun noch die letzten 83 km bis wir schließlich müde und ein wenig stolz vor der Produktionsstätte von Brooks in Smethwick standen.

Ausgeschlafen und gestärkt durch Fish & Chips führte uns Steven, der UK Sales & Events Manager von Brooks, am folgenden Morgen stolz durch die Produktionsstätte der weltbekannten Leder-Sättel.

Die Fertigung in Smethwick ist zweigeteilt und auch räumlich getrennt. Im ersten Teil wird britischer Stahl, der auf Rollen angeliefert wird, mit zum Teil eigens entwickelten Maschinen zu Federn, Gestellen und Platten verarbeitet.

Diese einzelnen Elemente werden dann zu der Unterkonstruktion der jeweiligen Modelle zusammengefügt.

Im zweiten Teil der Fertigung werden aus den in Belgien gefärbten Lederbahnen von britischen Rindern die Grundformen der Sättel gestanzt.

Danach werden diese für etwa eine halbe Stunde eingelegt, um sie für die anschließende Formgebung, in den Jahrzehnte alten Bronze-Formen, und den Beschnitt geschmeidiger zu machen.

Die Lederelemente erhalten noch ihre Prägung und werden mithilfe der Nieten auf die Gestelle gespannt. Bei den Select-Modellen findet dieser Arbeitsschritt, inklusive dem Schlagen der Nieten und dem Abkanten, lediglich in Handarbeit statt.

Schließlich werden die Sättel noch poliert, kontrolliert und verpackt, bevor sie in die ganze Welt versendet werden. Etwa 4500 Sättel pro Woche werden auf diese Weise im Vorort von Birmingham mit echter Liebe zum Detail und ganz viel Geschichte gefertigt.

Die ersten Ledersättel wurden bei Brooks bereits in den 1880er Jahren gefertigt. Auch die Radlegenden Fausto Coppi, Eddy Merckx und Jacques Antequetil  vertrauten über viele Stunden den britischen Produkten.

Bei den New Yorker Fahrrad-Hipsters genießt Eric, der Abkanter von Brooks, heute Legendenstatus.

Der Wellington Real Ale Pub in Birmingham hat einige Zapfhähne mit einer limitierten Edition des Swallow-Sattels von Brooks bestückt. Sobald man diese betätigt, fließt das mehrfach ausgezeichnete Saddle Black Bier der Purity Brewing Company.

Gute Dinge benötigen keine Veränderung – mehr Klassiker geht kaum.