Trickstuff Hausbesuch - Uncompromising Commitment
Die Bremse ist wohl mit das wichtigste Bauteil am Bike, wenn es um das Thema Sicherheit und Kontrolle geht. Wir waren bei Trickstuff!
Mit den Worten "heilige Hallen" beschreibt man den Firmensitz von Campagnolo wohl am besten. Campagnolo's Leidenschaft ist unübertroffen.
Wenn man eine Marke sucht, die man mit Radsport in Verbindung bringt und bei der es keinerlei Zweifel gibt, dass ein Produkt nicht nur sehr gut, sondern auch sehr schön sein muss, dann führt kein Weg am italienischen Traditionsunternehmen Campagnolo vorbei. Deshalb war es für Alex, Basti und mich eine große Ehre und Freude, den Firmensitz in Vicenza zu besuchen. Da nimmt man auch gerne mal 11 Stunden im Auto auf sich.
Die Geschichte Campagnolos ist so lang, glorreich und voller Anekdoten, dass ich hier mindestens Stoff für 20 Seiten hätte. Angefangen vom Schnellspanner, den Tullio Campagnolo erfand, nachdem er in Führung liegend, beim Gran Premio della Vittoria am 11. November 1927 völlig durchgefroren, die Flügelmutter am Hinterrad nicht öffnen konnte, um das Rad zu drehen und den Gang zu wechseln und so das Rennen verlor. Aus dieser Idee, viel mehr gesagt, aus dem Kopf, der diese Idee hatte, entsprangen noch viele weitere Ideen wie das „Gran Sport“ Parallelogrammschaltwerk, das seit den 1950ern der Urvater der heutigen Super Record, Record, Chorus, Potenza oder Centaur Schaltwerke ist.
Gespannter Blick beim ersten Betreten
Ihr Standing in der Radbranche haben Campagnolo Produkte in der Radsportwelt nicht nur dank ihrer Performance. Ein Rad mit Campa Schaltung hat immer einen besonderen Flair und ist ästhetisch, einfach eine Augenweide. Wer noch eine originalverpackte, unmontierte Delta Bremse sein Eigen nennen darf, der besitzt nicht nur ein Stück Radsportgeschichte und ein Bauteil, zum Verzögern der Reisegeschwindigkeit, sondern ebenfalls eine veritable Wertanlage.
In den vergangenen Jahren wurde es ein wenig ruhig um die Firma, wenn man bedenkt, dass man sich 1997 noch damit rühmen konnte, dass der japanische Konkurrent noch immer auf den ersten Tour de France Sieg wartete. Als familiengeführtes Unternehmen ist sich Campa immer treu geblieben und hat sich auf den Rennradsport fokussiert (von ein paar MTB Schaltungen in den frühen 90ern mal abgesehen). Andere Unternehmen haben sich breiter aufgestellt und Campa größentechnisch überholt, aber was die Leidenschaft für die Produkte angeht, kann meiner Meinung nach niemand weit und breit Campagnolo das Wasser reichen.
Leidenschaft oder passione spürt man in Vicenza quasi in jedem Raum, an jeder Diele im Verwaltungsgebäude und in der benachbarten Produktion. Vorbei an den Meetingräumen Record und Mirage, bei deren Anblick ich mir lebhaft vorstellen kann, wie bereits Eddy Merckx darin um Verträge gepokert hat, nähern wir uns dem Meetingraum Chorus und erspähen im Vorbeigehen das Siegerrad von Nairo Quintana von der Vuelta 2016. Hier sollen wir gleich den Sohn von Tulio Campagnolo treffen. Valentino Campagnolo ist mit knapp 70 Jahren seit 1984 an der Spitze des Unternehmens und das beschert uns etwas weiche Knie.
In der Radsportbranche ist der Umgangston eher locker und das „Du“ üblich, aber zwei Personen werden gesiezt: Yozo Shimano und eben Valentino Campagnolo. Während wir auf „Herrn Campagnolo“ warten, wird der Raum Chorus immer voller und als sich alle gespannt auf die große Eingangstür fokussieren, öffnet sich auf einmal die Seitentür und Herr Campagnolo steht im Raum. Nach kurzer Begrüßung übergeben wir die extra aus Aachen mitgebrachten Printen und Herr Campagnolo unterschreibt den Bora Ultra 50 Laufradsatz für unsere Charity Aktion. Viel erstaunlicher ist für uns allerdings, dass Herr Campagnolo sich viel Zeit für uns nimmt und wir unseren Ansatz bei bc und die Geschichte unseres Unternehmens vorstellen dürfen.
Valentino Campagnolo unterschreibt den Bora Laufradsatz
Im Anschluss an das Treffen geht es dann in die Produktionshallen. Hier waren bisher noch nicht viele Kameras, weshalb wir uns umso geehrter fühlen und Alex versucht unter den wachsamen Blicken von Global Marketing Manager Joshua Riddle, so viele Impressionen wie möglich festzuhalten.
Erstaunlich ist, wie viel hier wirklich noch vor Ort von Hand produziert wird. Campagnolo hat zwar auch noch eine Fabrik in Rumänien, aber dort soll es genauso aussehen.
Neben den klassischen, großen Pressen, für die Campagnolo natürlich alle Formen selbst herstellt, in denen die Ketten, Kettenblätter und Ritzel aus kilometerlangen Metallbändern gestanzt werden, finden sich auch eine große Anzahl neuer, moderner CNC Maschinen in den Hallen. Campagnolo ruht sich hier keinesfalls auf der ruhmreichen Vergangenheit aus, sondern investiert fleißig in die Zukunft und neue Ideen. Auch die legendären Bora Laufräder, werden seit Jahren unter Reinraum Bedingungen in Vicenza selbst gefertigt.
Beinahe Paradox wirkt es, dass die Italiener mittlerweile das kleine gallische Dorf darstellen, das sich tapfer und entschlossen, mit großer Sorgfalt und Liebe zum Detail um die eigenen Produkte kümmert und sich der blauen und roten Übermacht anderer Kontinente entgegenstellt.
Die Liebe zum Detail wird in solch kleinen Schritten, wie die manuelle Kontrolle der hohlgebohrten Ketten-Pins für die Record Kette sichtbar. An der Fertigungsstraße, die eine Kettenlänge von über 3 Kilometern hat, wird zwar mit Lasern, Scannern, Lichtschranken und Röntgenstrahlen gearbeitet, aber dennoch gibt es direkt gegenüber noch einen Prüfstand, an dem die Bohrungen händisch auf Mittigkeit und Durchmesser geprüft werden. Insgesamt gibt es für die Kette, vom ersten Stanzen der Kettenglieder bis zum Verpacken über 80 Kontrollen, für die Kette, um die Campagnolo Qualität zu gewährleisten. Die Zeiten, in denen hier die hessische Firma Rohloff aushelfen musste, sind also lange vorbei.
Für Nerds wie mich ist der Platz, an dem die Scheibenlaufräder gebaut werden, ein ganz besonderer Ort. Hier ist das Reich von Mr. Ghibli. Vor ein paar Jahren hat Campa ein schönes kleines Video über diesen Mann erstellt. Er ist der Einzige, der die Kunst (Ja, das Wort ist an dieser Stelle mit Bedacht gewählt) beherrscht und hat ursprünglich als Juwelier, Edelsteine und feine Uhrwerke bearbeitet. Wenn man jemals ein Campagnolo Scheibenlaufrad in der Hand hatte, weiß man, wovon ich spreche.
Wir kommen aus dem Grinsen nicht mehr heraus und merken überhaupt nicht mehr, dass wir schon knapp 20 Stunden auf den Beinen sind, als wir die Fabrik verlassen. Am Ein-/Ausgang will uns Joshua dann noch 3 besondere Räder präsentieren. Es handelt sich um die Entwicklungsstufen der Prototypen der elektronischen EPS Schaltung, die schon in den 1990ern beinahe serienreif waren, wäre da nicht dieser unsägliche Sturm nach eine Hochgebirgsetappe beim Giro d Italia gewesen. Nach der Etappe sprangen alle nur in die Fahrzeuge und rasten mit den Rädern auf den Dächern ins Tal. Leider waren die Dichtungen und elektronische Bauteile nicht für diese Geschwindigkeiten und Wasser-/Schneemengen ausgelegt und quittierten am nächsten Tag den Dienst. Leider bin ich ihm schon bei der Ankunft zuvorgekommen und habe Basti und Alex die Geschichte schon erzählt… Nerd halt ;-)
Man bemerke auch die wunderschönen Ur-Shamal Laufräder
Basti würde das Rad am liebsten mitnehmen
Abschließend bleibt uns nur, Danke zu sagen, dass wir einmal hinter die Kulissen bei Campagnolo schauen und ergründen durften, wo der Mythos Campa herkommt, was ihn ausmacht und warum die Produkte nach wie vor eine Begehrlichkeit auslösen, der man sich nur sehr schwer entziehen kann, wenn man einmal mit dem Schaltgefühl einer Campagnolo Schaltung in Berührung gekommen ist.
Und ab geht's nach Hause
Ich konnte nicht widerstehen...
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